- Offizieller Beitrag
Einen sehr inspirierenden Artikel fand ich über das andere Ukraine-Forum in der Neuen Züricher Zeitung. Es geht um den Umgang mit der Geschichte, speziell Holodomor und UPA sowie den Umgang damit unter Ukrainern und der aktuellen Regierung. Interessant finde ich folgende Passagen (etwas aus dem Zusammenhang gerissen):
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n der Diplomatenpost bei Wikileaks zu stöbern, ist nicht nur amüsant; es ist auch lehrreich. Aus dieser Quelle lässt sich eine geschichtspolitische Schachpartie der letzten Jahre rekonstruieren: Sie betrifft die Hungersnot zur Stalin-Zeit in der Ukraine. Wenn wir einem «vertraulichen» Bericht vom 29. Oktober 2008 Glauben schenken, hat der russische Präsident Medwedew mehreren Kollegen in dieser Sache Briefe geschrieben. Darin warnt er sie davor, diese Hungersnot – wie von der Ukraine gewünscht – als «Genozid» zu verurteilen. An den Präsidenten Aserbeidschans gewandt, fügte Medwedew demnach an, wenn dieser anders verfahre, könne sein Land das von Armenien besetzte Gebiet Nagorni Karabach ein für alle Mal abschreiben. Klare Botschaft aus Moskau: Schulterschluss in der historischen Debatte gegen (etwaige) Unterstützung in einem Gebietsstreit.
ZitatDie Bilder, die von diesen UPA-Partisanen kursieren, könnten gegensätzlicher nicht sein: Die einen schreiben das sowjetische Feindbild fort, wonach die «Banderisten» Faschisten und Nazi-Kollaborateure waren, die anderen erheben sie zu Helden im «nationalen Befreiungskampf» gegen die Sowjets. Dass es in der Ukraine viele solcher Kollaborateure gab, ist unbestritten; dass manche von ihnen, wie der in München vor Gericht stehende Iwan Demjanjuk, erst im Angesicht des Hungertodes im Kriegsgefangenenlager dazu wurden, gerät manchmal aus dem Blickfeld. Angesichts der erdrückenden Zahlen sollte es sich verbieten, leichtfertig Urteile zu fällen: Unter deutscher Besatzung hat die Ukraine laut Historikern drei bis acht Millionen Zivilisten verloren (wobei die Holocaust-Opfer noch nicht mitgerechnet sind).
Zitat
Die «orange» Regierung brachte immerhin das Kunststück zuwege, Veteranen der UPA und solche der Roten Armee zu einer gemeinsamen Gedenkfeier an einen Tisch zu bringen. «Eine gute, aber auch sehr naive Idee», findet Rjabtschuk. «Diese Versöhnung musste scheitern: nicht an den alten Männern mit weissem Haar, aber an den Berufsveteranen und Verbandsfunktionären.» So darf weiter gestritten werden. Vor allem über Bandera, den der scheidende Präsident zum «Helden der Ukraine» ernannte, was inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde.
Der Artikel hat einen erstaunlichen Tiefgang und berührt alle umstrittenen Punkte der ukrainischen Geschichte, über die wir auch hier in der letzten Zeit immer wieder diskutiert haben. Sehr lesenswert!