Russland - Aufstand eines Präsidenten
Die Libyen-Frage macht die Spaltung des Tandems Medwedew und Putin wieder offen sichtbar. Von Inna Hartwich
Präsident
Dmitri Medwedew versucht Ministerpräsident Wladimir Putin in den
Hintergrund zu drängen, indem er ihm häufiger widerspricht.
Moskau.
Wotkinsk ist eine trostlose Stadt. Ein kleiner Fabrikort mitten in
Udmurtien, noch im europäischen Teil Russlands, mehr als einen Tag von
Moskau mit dem Zug weg. In Wotkinsk bauen sie „Details“, wie die
Arbeiter in ihren blauen Overalls sagen. Komponenten für Raketen. Es
kommen nicht viele Menschen hierher, an den Wotka-Fluss. Doch manchmal
kommt der russische Ministerpräsident. Und was er sagt, wirkt im ganzen
Land wie ein Geschoss.
Die UN-Resolution zu Libyen sei
„unvollständig und nachlässig“, sie erlaube alles und erinnere an einen
„mittelalterlichen Aufruf zu einem Kreuzzug“, sagt Wladimir Putin. Es
ist eine Attacke gegen den Westen und ein Affront gegen seinen
politischen Ziehsohn, den eigenen Präsidenten Dmitri Medwedew. Denn
Medwedew findet die Worte „unangebracht“. Noch nie zuvor hat es einen
derart scharfen öffentlichen Schlagabtausch des russischen Machtduos
gegeben. Schon sprechen russische Medien von einer Spaltung des Tandems.
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Ein Jahr vor den
Präsidentschaftswahlen fragen sich die Kommentatoren, welche Strategie
Putin und Medwedew verfolgen. Zeigt der Präsident seinem Premier, dass
er den Sessel im Kreml nicht mehr länger für eine mögliche dritte
Amtszeit Putins vorwärmen will? Will Putin seine eigenen Umfragewerte
wieder in die Höhe treiben, die seit Wochen immer weiter nach unten
rutschen? „Bisher haben der Präsident und der Premier sehr gekonnt
vierhändig Klavier spielen können“, sagt der Kreml-nahe Politologe Gleb
Pawlowskij, „es wäre schade, wenn sie diese Fähigkeit in Zukunft
verlören.“
Wie auch Deutschland hat sich Russland bei der
Abstimmung im Sicherheitsrat enthalten. Medwedew hatte allerdings
zunächst mit der UN-Resolution sympathisiert. Gaddafi ganz fallen zu
lassen, spräche gegen russische Interessen. Unternehmen wie Gazprom und
RZD (Russische Bahn) unterhalten enge Beziehungen zum despotischen
Regime in Tripolis. Die Kriegsmaschinerie des selbst ernannten libyschen
Revolutionsführers stammt zu großen Teilen aus russischer Produktion.
Die Verträge, die der staatliche russische Waffenexporteur
„Rosoboronexport“ in den vergangenen Jahren mit Libyen schloss, belaufen
sich auf etwa zwei Milliarden US-Dollar. Zudem besiegelte der
staatsnahe Gazprom-Konzern erst am 16. Februar, dem Tag, als es in
Ostlibyen die ersten Proteste gab, ein lukratives Geschäft zur
Ölförderung auf einem Feld rund 800 Kilometer von Tripolis entfernt.
Auch
wenn Putin nun betont, in Libyen entspreche „keines der Parameter den
Kriterien für ein demokratisches Land“, sei es keinem erlaubt, sich in
die „innere Angelegenheit eines Landes einzumischen“. Medwedew sieht das
anders – und sagt es seinem Ziehvater deutlich. „So kann alles noch
viel schlimmer enden, als es ohnehin schon ist. Daran sollte jeder
denken“, meint der Präsident.
Auch im Fall Chodorkowski gab es öffentlichen Streit
Es
sind nicht die ersten Differenzen der beiden. Im Dezember hat Putin in
einer Fernsehshow den angeklagten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski,
noch vor dem Richterspruch, öffentlich schuldig gesprochen. Medwedew
verlangte Zurückhaltung. Nach dem Bombenanschlag auf den Moskauer
Flughafen Domodedowo erklärte Putin bereits im Februar den Fall für
gelöst. Auch hier widersprach ihm der Präsident – immer noch im milden
Ton. Nun ist er rauer geworden.
Quelle Augsburger Nachrichten
Also sind sich die beiden nicht einig
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