Moskau soll die Annexion von Teilen der Ukraine langfristig vorbereitet haben. Diesen Verdacht legt ein Strategiepapier nahe, von dem die "Nowaja Gaseta" berichtet. Der Chefredakteur ist sicher: Das Dokument ist echt.
Nach Angaben der angesehenen Moskauer Tageszeitung "Nowaja Gaseta" könnte Russland die Eskalation in der Ukraine von langer Hand geplant haben. "Dieses Szenario wurde geschrieben, bevor (der damalige Präsident der Ukraine, Anmerkung der Redaktion) Wiktor Janukowytsch seines Amtes enthoben wurde", sagte der Chefredakteur der Zeitung, Dmitrij Muratow.
"Den Anschluss an Russland initiieren"
Dem Blatt sei ein entsprechendes Strategiepapier aus dem Kreml in die Hände gefallen. Muratow zitierte während einer Sendung des Radiosenders Echo Moskau einige Kernsätze aus dem Papier, das die Ukraine-Strategie des Kreml beschreiben soll. Man müsse "auf die Zentrifugalbestrebungen verschiedener Regionen des Landes setzen, mit dem Ziel, den Anschluss der östlichen Gebiete an Russland zu initiieren."
Dabei sei das Hauptaugenmerk auf "die Krim und das Gebiet Charkiw" zu richten. Muratow kündigte an, das Papier in der kommenden Woche zu veröffentlichen.
Kreml schrieb das Drehbuch
Brisant an dem Papier: Die "Nowaja Gaseta" datiert seine Erstellung auf einen Zeitraum zwischen dem 4. und 15. Februar 2014. Janukowytsch aber wurde erst später von den Maidan-Revolutionären vertrieben. Das Dokument legt deshalb nahe, dass der Kreml vor dem Sturz ein Drehbuch für den weiteren Verlauf der Ukraine-Krise vorliegen hatte.
Moskaus Partner Janukowytsch charakterisieren die Autoren wenig schmeichelhaft als "Menschen ohne hohe Moral und Willensstärke". Mit seinem Sturz sei jederzeit zu rechnen.
PR sollte Intervention rechtfertigen In dem Papier ist auch die Rede von einer PR-Kampagne, mit der die Operation begleitet werden müsse, um Russlands Intervention in der Ost- und Südukraine zu rechtfertigen. Tatsächlich hatte der Kreml bislang immer beteuert, die Krim praktisch in einem Akt präventiver Notwehr annektiert zu haben. Die örtliche Bevölkerung habe sich von ukrainischen Nationalisten bedroht gefühlt, so die Lesart des Kreml.
Moskaus Ziel - so wird es in dem Papier formuliert - sei die "Föderalisierung" der Ukraine, weiterhin der Beitritt des Südostens der Ukraine zur von Moskau dominierten Zollunion, später dann eine "direkte Souveränität mit anschließender Angliederung an Russland". Chefredakteur Muratow beteuert, man sei sich "der Echtheit des Dokuments absolut sicher"...